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München Städtereisen-Ärger

Touristen-Ferienwohnungen werden zum Politikum

Touristen auf dem Münchner Marienplatz Touristen auf dem Münchner Marienplatz
Touristen auf dem Münchner Marienplatz
Quelle: pa/Haas, Robert
Städtetourismus boomt, das Angebot an Ferienwohnungen steigt. Aber das sorgt für Ärger: Apartments werden schwarz vermietet, Wohnraum geht verloren und die Hotellerie klagt über die Konkurrenz.

Groß und geräumig ist das Zimmer nicht gerade. Aber diese Lage! Nahe am Zentrum und der Isar, direkt in Münchens Glockenbachviertel finden zwei Gäste in dem 14-Quadratmter-Raum im fünften Stock genug Platz. Für eine Schlafcouch, einen Schreibtisch, ein kleines Regal, Musikanlage und TV-Gerät findet sich auch noch Platz.

Alles etwas eng vielleicht, aber die Gäste sind begeistert. „Danke für die nette und unkomplizierte Unterkunft“ schrieb Yvonne ins Gästebuch im Internet: „Ein sauberes und ruhiges Zimmer. Zentral gelegen gleich neben der Isar; Verkehrsanbindung super. Sehr nette und freundliche Gastgeberin.“

Andere Besucher fanden „alles tipptopp“, und Samuel kommt bei seiner Abreise zu dem Schluss: „Ich würde immer wieder kommen, wenn ich wieder in München bin. Das Zimmer liegt wirklich perfekt.“ Und das Beste: Für eine Übernachtung haben die München-Besucher nur rund 50 Euro ausgegeben.

Der Städtetourismus wird immer beliebter. München gehört zu den attraktivsten Zielen in Deutschland. Das Wirtschaftsreferat vermeldet seit zehn Jahren in Folge Rekordzahlen. Der Trend setzt sich auch 2013 fort. Im ersten Quartal 2013 kamen 1,3 Millionen Gäste nach München: 7,4 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Keine Zahlen zu Privatunterkünften

Auch Nürnberg gehört zu den Gewinnern. Und auch dort zieht es die Touristen nicht unbedingt in die Hotels. Das Angebot an Ferienwohnungen in der Stadt steigt.

Die Angebote sind attraktiv: 109 Euro müssen zwei Personen für eine Unterkunft bei der Nürnberger Kaiserburg ausgeben – maximal fünf Personen können in der 82 Quadratmeter großen Maisonette-Wohnung ihre Stadtferien verbringen. Drei Balkone, Haustiere willkommen, Wlan ist selbstverständlich kostenfrei.

Längst haben die hauptamtlichen Touristiker in den bayerischen Metropolen die Übersicht über diesen speziellen, unkontrollierten Wohnungsmarkt verloren. Auch dem bayerischen Wirtschaftsministerium liegen, so eine Sprecherin, „keine Zahlen zu Ferienwohnungen in München und anderen Ferienregionen“ vor.

Susanne Mühlbauer, Sprecherin des Tourismusamtes der Stadt München, sagt: „Wir gehen davon aus, dass Gäste, die Ferienwohnungen suchen, sich in erster Linie über das Internet informieren und dort auch buchen.“ Da München Tourismus keine Privatunterkünfte vermittelt, kann sie auch keine Angaben zu den Anforderungen und Wünschen der Gäste in Ferienwohnungen machen.

31 Milliarden Euro durch Tourismus

Auch in Nürnberg kümmert sich das Tourismusamt nicht direkt um die Ferienwohnungen in der Stadt, aber Verkehrsdirektorin Yvonne Coulin weiß: „Messe-Aussteller oder Urlaubsgäste sind dankbar dafür, auch in einer größeren Stadt Ferienwohnungen zu finden.“

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In den Sommermonaten beobachtet sie eine „verstärkte Nachfrage bei speziellen Internet-Anbietern wie FeWo-direkt, airbnb oder der Mitwohnzentrale“. Immerhin sind nach ihren Angaben allein im Zentrum der Frankenmetropole rund 50 Angebote von Ferienwohnungen gelistet.

Ob Christkindlmarkt in Nürnberg oder Oktoberfest in München – Ferienwohnungen in zentraler Lage sind heiß begehrt. Und die offiziellen, immer neuen Rekordzahlen, die Bayerns Wirtschafts- und Tourismusminister Martin Zeil regelmäßig veröffentlicht, dürften noch weit höher liegen.

Allein im vergangenen Jahr verzeichnete der Bayerntourismus mit 31,2 Millionen Gästeankünften und 81,1 Millionen Übernachtungen neue Rekordzahlen.

„Für Bayern hat der Tourismus einen hohen Stellenwert“, sagt eine Ministeriumssprecherin: „Ohne den Wirtschaftsfaktor Tourismus würden Bayern 31 Milliarden Euro Einnahmen und ein Äquivalent von 560.000 Vollzeitarbeitsplätzen fehlen.“

Zweckentfremdung ist Ordnungswidrigkeit

Eine positive Rechnung können auch die Vermieter von Ferienwohnungen und -häusern, vor allem in München, aufmachen, die ihre Wohnung oder einzelne Zimmer vermieten und damit das private Budget aufbessern.

Dabei ist in der Landeshauptstadt und anderen Universitätsstädten in Bayern preiswerter Wohnraum äußerst knapp. Und teuer. Aber noch sieht die Stadt München keine Notwendigkeit, diesen schwarzen Immobilienmarkt gezielt zu bekämpfen. Schließlich gibt es bereits eine Satzung gegen Zweckentfremdung.

Mit ihr will das Sozialreferat der Landeshauptstadt dafür sorgen, dass dem angespannten Wohnungsmarkt kein Wohnraum entzogen wird. Eine Zweckentfremdung liegt beispielsweise vor, wenn Wohnraum beruflich oder gewerblich, also auch als Ferienwohnung, genutzt wird. Als Zweckentfremdung gilt auch, wenn der Wohnraum länger als drei Monate leer steht.

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Und jede Zweckentfremdung, also auch die Vermietung als Ferienwohnung, ist genehmigungspflichtig. Wer aber ohne Genehmigung an Feriengäste vermietet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann.

In der Regel erlaubt die Stadt eine Zweckentfremdung nicht. Aber immer wieder kritisieren Mieterverein und Parteivertreter die laxe Kontrolle. Nicht erfreut ist auch der Hotel- und Gaststättenverband über die Konkurrenz auf dem grauen Markt: Der Münchner Verbandschef Conrad Mayer forderte die Stadt bereits auf, mehr gegen illegale Vermietung zu tun.

Hamburg als Vorbild?

Verständnis für die Kurzzeit-Vermieter von Ferienwohnungen hat dagegen Rudolf Stürzer vom Grundbesitzerverein Haus+Grund. Er sieht kein Problem für den regulären Wohnungsmarkt: „Bei den rund 550.000 Mietwohnungen im Stadtgebiet München liegt das Angebot an Ferienwohnungen deutlich unter einem Promille, sodass ein Bedürfnis für die Änderung von bestehenden Vorschriften oder der Verwaltungspraxis nicht erkennbar ist.“

Außerdem könnten sich Vermieter aufgrund des umfassenden Mieterschutzes auch bei laufenden Vertragsverletzungen nur schwer von Mietern trennen. Bei der Vermietung als Ferienwohnung dagegen bestehe „kein Schutz des Mieters gegen Kündigung und Mieterhöhungen“.

Neben München leistet sich bisher nur die Stadt Hamburg ein Wohnraumschutzgesetz. Es ist deutlich schärfer. Allein schon der Versuch, Ferienwohnungen ohne offizielle Genehmigung zu vermieten, kann als Ordnungswidrigkeit bestraft werden.

Zwar ist in der Hansestadt bezahlbarer Wohnraum nur in einigen angesagten Stadtteilen knapp, während sich in Vierteln wie Harburg oder Billstedt kaum Mieter finden lassen, aber das Wohnraumschutzgesetz wurde dennoch in diesem Jahr verschärft.

So dürfen Hamburger Vermieter ihre Eigentumswohnung oder ihr Haus nicht mehr kürzer als sechs Monate möbliert vermieten – eine auf Dauer angelegte Nutzung ist vorgeschrieben. Selbst die grundgesetzlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung wurde in dem Hamburger Gesetz ausgehebelt, denn dort dürfen Kontrollbeamte Wohnungen „unangemeldet“ und „jederzeit“ betreten.

Genehmigungen zur Nutzung als Ferienwohnung werden nur noch erteilt, wenn die Vermieter Ersatzwohnraum schaffen oder eine „Ausgleichszahlung“ von fünf Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat bezahlen.

Streit auch in Berlin

Auch in Berlin ist die Vermietung von Ferienwohnungen ein Streitthema bei Politik und Bürgern.

Zwar hatte das dortige Oberverwaltungsgericht vor mehr als zehn Jahren entschieden, dass ein Zweckentfremdungsverbot wegen der Entspannung auf dem Wohnungsmarkt gegen die Verfassung verstoße, aber aufgrund der aktuellen Entwicklung liegt dem Berliner Abgeordnetenhaus inzwischen ein neuer Gesetzentwurf zum Verbot der Zweckentfremdung vor.

Damit reagiert der Senat der Hauptstadt auf die stark angestiegenen Mieten und den Zuzug in die Stadt. Nach offiziellen Angaben ist die Leerstandsquote in Berlin auf 2,3 Prozent gesunken (zum Vergleich: in München und Hamburg liegt diese Quote bei lediglich 0,6 bzw. 0,7 Prozent). Nach Einschätzung des Deutschen Mieterbunds sind drei Prozent Reserve als kritisch anzusehen.

Trotz der guten Voraussetzungen, eine schnelle Mark zu machen, ist aber auch für Wohnungs- oder Hauseigentümer die Vermietung als Ferienwohnung nicht unproblematisch. Zwar hatte der Bundesgerichtshof 2010 klargestellt, dass die Vermietung an Feriengäste eine zulässige Wohnnutzung darstellt, aber erfahrene Ratgeber erinnern an die Pflichten: „Der Vermieter muss für die Einhaltung der Hausordnung durch seine Feriengäste sorgen.“

Und Rudolf Stürzer vom Münchner Haus- und Grundbesitzerverein warnt vor dem „deutlich höheren Verschleiß, unter anderem bei den Böden und sanitären Anlagen“ aufgrund der hohen Fluktuation. Nach seiner Erfahrung nehmen deshalb viele Vermieter schon wieder Abstand von der Vermietung als Ferienwohnung.

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